Bundesweite Ungewissheit


Bundesweite Ungewissheit

VON ROUVEN GROSS

Die Bürgermeister der deutschen Kerntechnik-Standorte forden in Gartow von der Bundesregierung verlässliche Zeitpläne und bessere Informationen zur Endlagersuche

Gartow. Kerntechnische Anlagen sind für die Kommunen, in denen sie stehen, ein zweischneidiges Schwert. Sie bringen viel Geld, die Betreiber der Anlagen zahlen zumeist kräftig Gewerbesteuer, man profitieret von hohen Einkommenssteuer-Einnahmen, und oftmals existieren Ansiedlungsvertrage, die den Kommunen erhebliche finanzielle Zuwendungen zusichern. Auf der anderen Seite stehen jedoch Belastungen für die Kommunen: ein umfangreicherer Katastrophenschutz etwa, und all die Nachteile, die sich ergeben, wenn der Name einer Kommune automatisch etwa mit einem Atomkraftwerk in Verbindung gebracht wird. Wie Philippsburg, Krümmel oder Neckarwestheim. Dort sind Gewerbeansiedlungen oder auch die touristische Vermarktung oftmals problematisch.

Und: Die Kommunen selbst haben nur in den allerseltensten Fällen Einfluss auf das, was dort passiert. 1994 gründeten diese Kommunen daher die ASKETA, die „Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden kerntechnischer Anlagen in Deutschland“, um wenigstens mit einer Stimme zu sprechen und so ihren Forderungen und Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen. Jetzt trafen sich die ASKETA-Mitglieder zum ersten Mal in Gartow zu ihrer Jahrestagung. Und sie verabschiedeten eine gemeinsame zentrale Forderung:

Mehr Zuverlässigkeit der Bundesregierung und der Landesregierungen, wenn es um Zwischen- und Endlagerung von hochradioaktivem Müll geht. Einen „verbindlichen Terminplan“ für das Schaffen eines deutschen Endlagers fordern die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der deutschen Atomstandorte in einem in Gartow verabschiedeten Papier. So müsse spätestens mit der Festlegung auf einen Endlagerstandort dort mit dem Bau eines zentralen Eingangslagers begonnen werden, um sicherzustellen, dass der aktuell an den Atomkraftwerken und in Gorleben zwischengelagerte Atommüll so schnell wie möglich in das Endlager verbracht werden könne. Bis 2031 soll den Plänen der Bundesregierung zufolge solch ein Standort gefunden sein, 2050 soll das Endlager in Betrieb gehen. „Bis dahin sind Stand jetzt alle Atomkraftwerke abgeschaltet und wohl auch zurückgebaut“, sagt Josef Klaus, der in Gartow neu gewählte ASKETA-Vorsitzende. Seine Befürchtung und die der meisten seiner ASKETA-Bürgermeister-Kollegen: Sind die Kühltürme erst einmal weg und von den Kraftwerken ist nichts mehr zu sehen, konnten die Zwischenlager in Vergessenheit geraten – und zu Dauereinrichtungen werden. Sollte es dazu kommen, oder auch nur zu größeren Verzögerungen und damit zu längeren Betriebszeiten der Zwischenlager, mussten die Standortgemeinden dafür entschädigt werden, so die ASKETA-Forderung.

Auch bei der Suche nach einem künftigen Endlagerstandort will die ASKETA mitreden. Man fordere einen Sitz im sogenannten Nationalen Begleitgremium, das für diese Suche und die Auswahl gebildet wurde und dessen Mitgliederzahl jetzt von neun auf 18 aufgestockt werden soll. Dadurch soll der Informationsfluss in die betroffenen Kommunen verbessert werden, genau wie durch eine „quartalsmäßige Information über den Fortgang der Planung zur Zwischen- und Endlagerung durch die zuständigen Bundesbehörden und -gesellschaften an die ASKETA“, heißt es in dem verabschiedeten Papier.

Und: Ab 2019 wird die Gemeinde Gorleben vom Zwischenlagerbetreiber keine Gewerbesteuer mehr kassieren. Dann kommt zum Tragen, dass die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung das Zwischenlager übernommen hat – und die sei, anders als ihre Vorgängerin, die private „Gesellschaft für Nuklearservice“, nicht gewinn-, sondern sicherheitsorientiert und somit „wohl nicht gewerbesteuerpflichtig“, formulierte es Gartows Samtgemeindebürgermeister Christian Jarnecke (CDU).

Auszug Presseartikel