Brunsbüttel / Kiel - Für Jochen Stay ist es ein Gesetzesbruch: „Wenn Vattenfall defekte Brennstäbe aus dem Atomkraftwerk Brunsbüttel nach Schweden bringen will, ist das ein Verstoß gegen das Atomgesetz“, sagt der Atomkraftgegner der Initiative „Ausgestrahlt“. Selbst wenn der Energiekonzern 13 defekte Brennstäbe aus dem Reaktorbetrieb des Kernkraftwerks in der kerntechnischen Einrichtung in Studsvik (südlich von Stockholm) erforschen lassen will, um „Erkenntnisse für die Langzeitsicherheit in der Zwischenlagerung“ zu erhalten, müsse der Atommüll hinterher nach Deutschland zurückgebracht werden. Vattenfall hat aber seit gestern alle nötigen Genehmigungen, um die Brennstäbe in drei Castor-Transporten bis August über Dänemark nach Schweden zu bringen – und deren Reste dort zu lagern. „Diese Brennstäbe werden in dem Forschungsvorhaben ,zerstörend‘ untersucht. Die radioaktiven Abfälle verbleiben anschließend bei der schwedischen Forschungseinrichtung, die auch die Verantwortung für die Entsorgung dieser Abfälle übernehmen wird“, sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums in Kiel. Für Brunsbüttel gelte: „Ein Kernkraftwerk ohne Brennstoffe ist sicherer als eines mit.“ Denn nach dem Abtransport werden sich in dem seit 2007 still stehenden Kernkraftwerk in Dithmarschen keine Kernbrennstoffe mehr befinden.
Bei den 13 so genannten Defektstäben handelt es sich um einzelne Brennstäbe, die im Laufe der Betriebszeit seit den 70er Jahren wegen Schäden aus dem zugehörigen Brennelement entnommen wurden. Bei den Schäden kann es sich um Verkrümmungen handeln, Oberflächenrisse im Hüllrohr oder Schweißfehler an den Endverschlüssen.
Vattenfall will nach eigenen Angaben erforschen, wie man sehr lange in Wasser aufbewahrte Brennstäbe am besten trocken lagern kann. Das geplante Untersuchungsprogramm werde voraussichtlich vier Jahre andauern. „Die Erkenntnisse aus dem von Vattenfall initiierten Forschungsvorhaben könnten auch anderen Betreibergesellschaften zugutekommen, die defekte Stäbe zu lagern haben“, heißt es aus dem Umweltministerium in Kiel.
Ob es Proteste gegen die Castor-Transporte gibt, ist noch ungewiss. Wann und wie der Atommüll nach Skandinavien gebracht wird, darüber schweigen Vattenfall und das Ministerium – aus Sicherheitsgründen.
ky
Aus Stockholm
Reinhard Wolff
Schwedens Atomindustrie hat einen Rückschlag erlitten. Ihr Konzept für ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll sei nicht genehmigungsfähig, hat nun das zuständige Umweltgericht in Nacka entschieden. Nach siebenjähriger Prüfung sahen die Richter bedeutende Unsicherheiten", ob die vorgesehene Technik den Strahlenmüll auf längere Sicht sicher einschließen könne.
Damit ist die juristische Grundlage, auf der die schwedischen Atomreaktoren laufen, grundsätzlich infrage gestellt. Im Jahr 1977 hatte der schwedische Reichstag den Betrieb von einem Endlagerkonzept abhängig gemacht. Entwickeln sollten es die Betreiber - derzeit Vattenfall, Fortum und Uniper, genauer ihre gemeinsame Atommüllgesellschaft Svensk Kärnbränslehantering (SKB).
Die SKB legte sich früh fest, 1978 stellte sie einen ersten Vorschlag, 1983 das Konzept vor: Das Endlager soll nahe dem Atomkraftwerk Forsmark nördlich von Stockholm entstehen: Die abgebrannten radioaktiven Brennstäbe werden in Kupferkapseln von 5 Metern Länge, einem Meter Durchmesser und einem Gewicht von rund 2 Tonnen verpackt werden, die in 500 Metern tief in den Fels gesprengten Kavernen auf einem Bett aus Betonit, die Jahrtausende überdauern sollen. Laut SKB können die Kapseln Erdbeben und Eiszeiten unbeschädigt überstehen.
An dieser Einschätzung gab es von Anfang an auch Zweifel. Zunächst ging es - wie in Deutschland - vor allem darum, ob sich die Gesteinsformation eignet. Inzwischen konzentriert sich die Kritik auf die Kupferkapseln. Deren geplante Wandstärke ist im Laufe der Zeit von ursprünglich 20 auf inzwischen 5 Zentimeter geschrumpft. SKB behauptet, dass Kupfer unter den geplanten Bedingungen so gut wie nicht rostet. Konkret geht sie davon aus, dass das Metall 0,5 Nanometer im Jahr korrodiert. Bei einer Wandstärke von 5 Zentimetern - 50 Millionen Nanometern - könnten die Kapseln damit tatsächlich Zehntausende von Jahren halten.
Doch auch bei manchen SKBVersuchen war das Kupfer 1.000 bis 10.000 Nanometer im Jahr gerostet - mit Ausreißern von bis zu 15 Millionen Nanometern. Unabhängige Korrosionsforscher kamen auf noch höhere Werte. Da die Kupferkapseln schon bei 10 Prozent Korrosion instabil werden können, würde der Strahlenmüll eventuell schon nach mehreren Hundert Jahren in direkten Kontakt mit dem umgebenden Betonit und dann den Gesteinsschichten kommen. Die Verstrahlung des Grundwassers und der restlichen Umwelt würde drohen.
Die Regierung in Stockholm hat nun das letzte Wort in dem Genehmigungsverfahren. Die auf 566 Seiten ausführlich begründete Stellungnahme des Umweltgerichts wird sie berücksichtigen müssen - auch wenn die traditionell atomkraftfreundliche staatliche Strahlenschutzbehörde SSM parallel zu der Stellungnahme des Gerichts grünes Licht für die Endlagermethode gab. Dieses Votum veranlasste den SSM-Korrosionsexperten Jan Linder übrigens zu kündigen: Es sei mit seinem ethischen Kompass" nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die grüne Umweltministerin, Karolina Skog, versprach eine gründliche Prüfung. Greenpeace-Schweden begrüßte die Stellungnahme des Gerichts: Schweden könne auch nach jahrzehntelanger Forschung offenbar keine sichere Endlagermethode vorweisen - was unterstreicht, wie notwendig eine unverzügliche Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien ist". Johan Swahn, Direktor von MGK, dem Atommüllbüro verschiedener Umweltschutzorganisationen, sagte, SKB müsse sich nun endlich der Kritik an seiner Endlagermethode stellen.
Quelle: https://enbw.unicepta-mind.de/export/reportresult_pdf?args=eyJyZXBvcnRfcmVzdWx0X2lkIjozNTEwNzI5MCwicmVxdWVzdF9tb2R1bGVfaWQiOjg5OSwiYm9va2VkX3Byb2R1Y3RfaXNzdWVfaWQiOjY1NTUyfQ%3D%3D&documentType=reportresult_pdf&token=9cf8e8d71f00b13c303f0b867453cbc1166a2b12
M E D I E N I N F O R M A T I O N
Neckarwestheim, 11.7.2017
Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden mit kerntechnischen Anlagen in Deutschland (ASKETA) am 10.+11.07.2017 in Neckarwestheim
Die Suche nach einem geeigneten Standort für die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen beschäftigte nicht nur die dafür eigens vom Bund eingesetzte Kommission, sondern auch die Gemeinden, in denen sich schon heute kerntechnische Anlage befinden.
Es sind sehr lange Zeiträume, in denen mit dem im Juli 2017 beschlossenen Standortauswahlgesetz nach einem solchen Standort gesucht werden soll.